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NCS-Farbsystem

100 neue Nuancen für die feinen Töne 

Seit 1982 gilt das NCS-Farbsystem in der Schweiz als Grundlage für die Kommunikation über Farben, als Standard, um Farbwerte zwischen Ausführenden und Planern abzustimmen. Die hundert neuen, wenig chromatischen, feinen Farbnuancen machen das Arbeiten mit natürlichen Materialien einfacher und erweitern die Möglichkeiten, vor allem in der Innenraumgestaltung.

Katharina Wyss, Dipl.-Ing./MSc, architecture&journalism
19.12.2022

Die Farbexperten des schwedischen NCS-Farbsystems beschlossen dieses Jahr, den Umfang ihrer Farbpalette aufgrund von Rückmeldungen und Wünschen zahlreicher Farbexperten und Designerinnen zu erweitern. Sie wünschten sich noch mehr Möglichkeiten für die Farbgestaltung und für eine bessere Kontrolle ihrer Arbeit.

Die Abkürzung NCS steht für «Natural Colour System». Die Entwickler des Farbsystems haben versucht, im Rahmen der gegebenen technischen Möglichkeiten, den ganzen Farbraum bestmöglich auszumustern und visuell wahrnehmbare Farbunterschiede so gut wie möglich identifizierbar zu machen. Ein dafür entwickelter Farbcode aus Ziffern und Buchstaben ermöglicht es, Farbtöne klar zu definieren und damit auch branchenübergreifend zu kommunizieren. Die 100 neuen Farben des NCS-Systems wirken relativ unscheinbar und scheinen nicht so recht in die bunte Skala des bisherigen Farbsystems zu passen. Die zarten Töne mit wenig Farbigkeit wurden in der Ursprungsversion des NCS-Systems sogar bewusst ausgelassen. Doch gerade diese Töne fehlten vielen Kreativen, die nur durch einen Hauch von Farbe Stimmungen erzeugen.

Ein Farbsystem aus 2050 Farbtönen

Das menschliche Auge kann über 10 Millionen Farben identifizieren. Dieses weite Farbspektrum, das unser Auge mithilfe unseres Gehirns wahrnehmen kann, brachte schon in der Evolution Vorteile: So nehmen wir nach einem Regen das satte Grün der Bäume und Wiesen wahr oder erkennen anhand der Farbe von Früchten deren Frische und Reifegrad. Farbe transportiert also viele Informationen, die unbewusst unsere Entscheidungen und Präferenzen beeinflussen.

Damit ein Farbsystem in der Praxis einfach funktioniert, benötigt es ein simplifiziertes Modell, um die Farbidentifizierung mittels einer überschaubaren Menge von Farbtönen möglich zu machen. Das im Jahre 1979 in Schweden entwickelte NCS-Farbsystem orientiert sich am menschlichen Farbempfinden und beschreibt das Aussehen von Farbtönen, so wie wir sie sehen.

Am besten funktioniert das Modell, wenn man es sich als geometrische Figur vorstellt. Die NCS-Farbwelt ist grafisch als dreidimensionaler Doppelkegel aufgebaut. Auf der XY-Achse dieses Farbkoordinatensystems liegt ein Farbkreis, auf dem die als «rein» wahrgenommenen Farben Gelb, Rot, Blau und Grün verortet sind. Wenn man sich das Zifferblatt einer Uhr vorstellt, liegt Gelb auf der 12, Rot auf der Drei, Blau auf der Sechs und Grün auf der Neun. Als Zwischentöne sind jeweils neun Farbstufen zwischen den Hauptfarben angeordnet. Sie nähern sich im Uhrzeigersinn der nächsten Hauptfarbe in jeder Stufe um zehn Prozent an.

Farbgestaltung mit feinen Tönen

Vier Seiten des 1981 erstmals herausgegebenen NCS Atlas hatten bisher Lücken. Diese Farbtöne im unbunten Bereich hielten die Erfinder des Farbsystems aufgrund der bereits grossen Anzahl vorhandener Farbtonmuster für vernachlässigbar. Doch Innenarchitekten und Farbgestalterinnen bemerkten in ihrer Berufspraxis, dass ihnen genau diese Farbtöne fehlen. Einerseits liegt das an starken Lichtquellen, die heutzutage viel stärker zum Einsatz kommen. Sie machen die Farbigkeit, vor allem von grossen Flächen, viel besser sichtbar. Andererseits hat das menschliche Auge auf den ersten Blick Mühe, überhaupt Farbigkeit in den neuen Nuancen zu erkennen. 

Nur sehr feine Unterschiede trennen diese Schwarz-, Grau- und Weisstöne. Die nicht chromatisch wirkenden Farbbereiche kreieren Lichtstimmungen, die Raumatmosphären kühler oder wärmer erscheinen lassen. Auf unsere Wahrnehmung wirken sie vor allem unbewusst. Viele Innenraumgestalter basieren ihre Designs auf natürlichen Materialien und richten darauf die Farbgebung eines Raums aus. Dabei liegen gerade Stein, Metall, Sichtbeton und gealtertes Holz in ihrer Farbigkeit im Graubereich. Bis jetzt war es schwierig, mithilfe von NCS die Farbtöne für diese Materialien zu eruieren. Die Farbcodes waren auch in diesem Spektrum in groben 10-Prozent-Schritten angeordnet.

Unbunte Farben im Trend

Durch die Erweiterung und Präzisierung des Farbspektrums im einstelligen Prozentbereich der Farbabstufung reagierte NCS auf einen Gestaltungstrend, der in den letzten Jahren immer populärer wurde: Man findet diese zarten Farbtöne mit wenig Farbigkeit heute sowohl in der Automobilindustrie als auch als Grundfarbe für Haushaltsgeräte oder Küchenausstattungen.

NCS teilt die 100 neuen Farbtöne in vier Kapitel ein. Ihre klingenden Namen suggerieren bereits ihre Anwendung. «White Delight», weisse Köstlichkeiten, sind neue, frische Weisstöne. «Nordic Midtones», die mittleren Töne des Nordens, beziehen sich auf die Sonne des Nordens.

Ihre Sonnenstrahlen fallen im Winter besonders flach aus, wodurch farbige Flächen oft sehr dunkel erscheinen. Bei den «Great Greys» handelt es sich um zurückhaltende Nuancen. Sie liegen irgendwo zwischen Beige und Grau und beziehen sich auf die Kolorierung von Baustoffen wie Holz oder Beton. «Blackish Elegance» bezeichnet Schwarztöne, denen ein Hauch von Farbe Tiefe und Mystik verleiht. Gerade wenn Farbdesigner einen speziellen Charakter einer Farbreihe komponieren wollen, suchen sie nach ähnlichen Nuancen, entweder aus derselben Farbfamilie oder in derselben Nuance. Wie in der Musik machen sich die «leisen» Zwischentöne auch hier deutlich bemerkbar: Eine harmonische Abmischung ist durch die neuen, feinkolorierten Nuancen in den hellen wie auch den besonders dunklen Tönen möglich.

 

Beat Soller ist Farbgestalter bei der Max Schweizer AG. Das Zürcher Unternehmen bietet Fassadengestaltungen, Gipser-, Maler- und Tapezierarbeiten wie auch Bodenbelagsarbeiten an.

Welche Vorteile ergeben sich aus der Erweiterung der Farbskala für Sie?

Die Erweiterung ist für uns als Farbgestalter am Bau wichtig, weil die unbunten Nuancen im Bauwesen gebräuchlich sind und eine Anpassung an natürliche Materialien damit besser wird. Bislang hatten wir oft Probleme in den unbunten Nuancen, da die in NCS gebräuchlichen Schritte um +/- 10 Prozent oft zu grossen optischen Unterschieden führen. Dies hat NCS schon in der Second Edition mit den 02-Nuancen korrigiert. Jetzt ist es in den neuen Teilbereichen noch differenzierter geworden.


Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich daraus?

Im Bau werden oft Analogien zu natürlichen Materialien wie Sichtbeton, natürlichem Verputz, Keramiken oder Hölzern hergestellt. Im unbunten Bereich war NCS bislang gering differenziert. Unsere Kunden hatten oft das Bedürfnis nach Zwischentönen, die notgedrungen in einer Handmischung erreicht werden mussten. Damit ist die Dokumentation und die Nachbearbeitung schwieriger und die Farbkommunikation zwischen Lieferanten, Architekt und Bauherrschaft unpräzise.

«NCS ist jetzt auch im unbunten
Bereich differenzierter.»

Wie verwenden Sie die Arbeitsmittel von NCS?

Wir arbeiten schon über 20 Jahre mit NCS und haben durch die tägliche Arbeit mit Farben ein gutes Gefühl dafür, wie eine Farbe in der Anwendung wirkt. Wir können schnell durch den NCS-Farbraum navigieren, Farben aufhellen, vergrauen, bunter oder unbunter definieren. Für uns sind die NCS Farbfächer und die NCS Farbtonmuster (Format A4/A6) als Grundlageninstrument entscheidend. Unterwegs und im Büro ist die Box das wichtigste Arbeitsmittel. Sie dient der Grobbestimmung. Im Gestaltungsprozess haben wir eine Idee und suchen dann die entsprechenden Farbnuancen im NCS-Farbsystem. In erster Linie arbeiten wir optisch. Oft liegen Farbideen als Material vor, beispielsweise bauseitige Baumaterialien, Materialien aus der Natur wie Pflanzenteile, Steine usw. In weiteren Schritten arbeiten wir mit den Farbtonmustern der Box im Format A6 oder mit Farbtonmustern im Format A4. Sie helfen uns, die Farbwirkung besser einschätzen zu können. Die geschriebenen NCS-Codes sind für die Kommunikation mit Baubeteiligten wichtig. Unsere Angaben dienen dazu, Ausschreibungen und Produktionen zu steuern oder auch Baueingaben an Behörden zu dokumentieren.


Wie können Sie Ihre Farbidee vom kleinen NCS-Muster an die Realität anpassen?

NCS Farbtonmuster sind meist seidenmatt und glatt. Unsere Farbanwendungen weisen oft eine Textur und eine Struktur auf. Also erstellen wir Originalmuster in Materialität, Struktur und Textur. Metamere Farbverschiebungen, hervorgerufen durch unterschiedliche Farbmedien und Applikationsverfahren, lassen sich theoretisch nicht kontrollieren. Dafür sind Originalmuster unerlässlich. Das NCS-System dient lediglich als Kommunikationsmittel. Für die Farbtonbestimmung setzen wir gerne den NCS Colourpin ein. Wir verlassen uns aber nicht blindlings auf die digitale Definition. Wir prüfen immer mit dem Farbfächer nach.

Ralf Studer ist Textildesigner und leitet den Fachbereich Design sowie den Studiengang Farbdesign an der Schweizerischen Textilfachschule STF in Zürich.

Welche Vorteile ergeben sich aus der Erweiterung der Farbskala für Sie?

Die Erweiterung im Bereich der Farben mit wenig Buntanteil scheint mir sehr sinnvoll. Diese Farbnuancen sind zwar auf den ersten Blick unscheinbarer als andere, aber sie stellen den von uns Farbgestaltern am meisten verwendeten Farbbereich dar.


Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich daraus?

Die neuen Farbnuancen lassen sich durch den geringen Buntanteil insbesondere auch grossflächiger einsetzen und können sehr gut mit Akzenten kombiniert werden.

«Die neuen Farbnuancen können gut 
mit Akzenten kombiniert werden.»

Wie verwenden Sie die NCS-Arbeitsmittel?

Die NCS Farbtonmuster sind hilfreich für die Kommunikation bei der Arbeit an einem Projekt. Insbesondere dann, wenn man sich auf Distanz mit Beteiligten austauschen muss. Für Farbkonzepte arbeite ich immer mit dem NCS Block, der nach Bunttönen geordnet ist. Für die Arbeit unterwegs finde ich den Index eine gute Wahl – er liegt daher immer im Auto. Den Atlas verwende ich gerne als Übersicht und bei Farbentscheidungen aus ästhetischer Sicht. Die Übersichtlichkeit und die Nummerierung sind hilfreich. Auch für Schulungszwecke und beim Coaching von Studenten setze ich ihn deshalb gerne ein.


Setzen Sie auch digitale Hilfsmittel ein?

Die manuelle Handhabung eines Farbfächers und die persönliche, visuelle Annäherung und Beurteilung eines Farbtons gefällt mir aktuell noch besser. Mit etwas Erfahrung und Übung ist man ja sehr schnell im Auffinden von gesuchten Farbnuancen. Für Visualisierungen nutze ich die digitalen Farbcodes oft in Adobe Photoshop und Illustrator. Die CRB-Website nutze ich regelmässig, insbesondere für Farbtonmuster-Bestellungen. Die NCS Colour Trends schaue ich mir gerne als Inspiration an. Oftmals hat die eigene Arbeit aber weniger mit Trends zu tun und es sind eigenständige und objektbezogene Farbkonzepte gefragt.

Unsere Fachspezialistin 

Seit Anfang 2022 ist Marija Prole CRB-Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um das NCS-Farbsystem. Sie absolviert gerade eine Ausbildung als Farbdesignerin und unterstützt Farbgestalter, Ausführende und Farbproduzenten gerne mit ihrem NCS-Fachwissen. map@crb.ch