Zusammenarbeit ist ein zentrales Anliegen von Cristina Schaffner, Direktorin von Bauenschweiz. Im Interview spricht sie über die Chancen einer veränderten Kultur der Zusammenarbeit, was das mit dem Fachkräftebedarf zu tun hat, und was sie sich für die Branche wünscht.
Interview: Michael Milz | 24.06.2025
Cristina Schaffner, Bauenschweiz vertritt die Interessen der gesamten Bauwirtschaft in der Schweiz. Wo sehen Sie aktuell die grössten Herausforderungen der Branche?
Wir brauchen im gesetzlichen Bereich auf nationaler Ebene klare Rahmenbedingungen, wohin das Bauen und Sanieren in der Schweiz gehen soll. Ein Beispiel ist die Anpassung des Obligationenrechts, das wir in der Wintersession durch die Schlussabstimmung gebracht haben: Wie geht man mit Baumängeln um? Auf den ersten Blick ist das ein kleiner, aber eben wichtiger Puzzlestein. Herausforderungen aber auch Chancen für die Bauwirtschaft sind zudem die Ziele im Bereich des Klimas, im Umgang mit Baumaterialien und Ressourcen – Stichwort Kreislaufwirtschaft – und im Energiebereich, wenn wir an den Gebäude- und infrastrukturpark als Energielieferanten denken. Weiter braucht es zügige und verlässliche Baubewilligungsverfahren mit Investitionssicherheit. Und ein Punkt ist das Thema Fachkräfte, und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der Branche. Wenig Einfluss haben wir hingegen auf die Auswirkungen der Weltwirtschaftslage, die in der Schweiz ebenfalls spürbar sind.
Was müsste sich aus ihrer Sicht in der Branche denn verändern, um dem Fachkräftemangel zu begegnen?
Es gibt nicht das eine Patentrezept, und alle unsere Mitgliedsverbände beschäftigen sich intensiv damit. Einerseits unterstützen unsere Mitglieder die Unternehmen und Planungsbüros dabei, sich fit für neue Herausforderungen und für die neuen Ansprüche der Mitarbeitenden zu machen. Andererseits investieren unsere Mitgliedsverbände viel ins Berufsmarketing. Ein wichtiger Punkt aus meiner Sicht ist die Kultur, wie wir zusammenarbeiten: Im Fokus steht das Partnerschaftliche, etwa mit dem frühen Einbezug aller Akteure. Ein weiterer Aspekt ist die Digitalisierung. Sie bringt Rahmenbedingungen mit sich, die eine noch transparentere Arbeitsweise verlangen sowie das Offenlegen der dafür nötigen Daten. Und schliesslich müssen wir noch mehr über den Mehrwert unserer Branche sprechen und sichtbar machen, welche Funktion wir in und für die Schweizer Gesellschaft haben.
Was unternimmt Bauenschweiz konkret?
Bisher pflegten wir vor allem die Pflichtkommunikation und bauten unter anderem Kanäle wie den Newsletter oder LinkedIn auf. Neue haben wir vom Vorstand den Auftrag, in einer dreijährigen Pilotphase die Öffentlichkeitsarbeit aufzubauen. Damit wollen wir, wie wir das auch in der politischen Arbeit in den letzten fünf Jahren gemacht haben, unsere Mitgliedsverbände flankieren. Ein Pfeiler ist dabei der Aufbau der Themenplattform Öffentlichkeitsarbeit, in der wir mit allen Beteiligten der Branche zusammen Projekte identifizieren. Der zweite Pfeiler bildet die Produktion von regelmässigem Content. Dieses so genannte «Grundrauschen» bauen wir mit einem Kostendach von 50'000 Franken pro Jahr auf.
Welchen Stellenwert haben neue Formen der Zusammenarbeit wie Projektallianzen für Bauenschweiz?
Für uns als Dachverband einen sehr hohen, weil die ganze Wertschöpfungskette davon profitieren kann – von Planenden über das Bauhauptunternehmen bis zum Ausbaugewerbe. Zu den Projektallianzen liegt in Kürze auch eine Vertragsvorlage vor. Zudem haben sich unsere drei Mitgliedsverbände SIA, suisse.ing und SBV zu einer Plattform zusammengeschlossen, über die man sich informieren und austauschen kann. Von Elementen aus solchen neuen Abwicklungsmodellen können aber auch bestehende Abwicklungsmodelle profitieren. Je früher man die Gewerke in eine partnerschaftliche Zusammenarbeit einbezieht, umso besser die Lösung. Darum hat Bauenschweiz vor zwei Jahren eine gemeinsame Haltung zu diesem Thema formuliert.
Als Dachverband ist Bauenschweiz auf einer hohen Flugebene. Wie konkret können Sie da überhaupt einwirken?
Wir sind mit zweieinhalb Stellen ein sehr schlanker Verband, das Wissen im Konstrukt Bauenschweiz ist bei den Mitgliedsverbänden. Das ist wichtig und richtig. Beim Thema Fachkräftemangel machen die Mitglieder die Berufskampagne, weil sie sehr individuell von der Thematik betroffen sind und das Wissen haben. Das Konkrete – also ein Projekt, ein Vertrag, eine Norm – findet bei den Mitgliedsverbänden statt. Geht es um Daten und digitale Instrumente, findet das beim Bauenschweiz-Mitglied CRB statt. Im Fall von Zusammenarbeitsmodellen oder einem verstärkten Fokus auf nachhaltiges Bauen und Sanieren haben wir eine übergeordnete Stimme. Die ganze Bauwirtschaft steht dahinter. Das hat teilweise symbolischen Charakter und gibt uns als Geschäftsstelle und als Dach aber auch den Rahmen, in dem wir uns im politischen Kontext äussern können. Mit dieser Legitimation einer gemeinsamen Haltung beurteilen wir eine konkrete Vorlage auf nationaler Ebene und nehmen Einfluss. Natürlich haben wir auch Themenplattformen oder Arbeitsgruppen, die uns sehr eng begleiten. Bauenschweiz ist die übergeordnete und gemeinsame Stimme. Dazu gehört auch unsere Schnittstellenfunktion.
Bauenschweiz bewirtschaftet verschiedene Themenplattformen, etwa zu Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Welche Funktionen haben diese Themenplattformen?
Die Themenplattformen haben zwei Funktionen: Sie sind Teil des Meinungsbildungsprozesses, und sie sind eine Schnittstelle, wenn es gemeinsame Anliegen oder eine Problemstellung gibt. Wir haben vor rund fünf Jahren einen Meinungs- und Positionsfindungsprozess eingeführt, in dem jedes Mitglied gleichberechtigt ist. Hat ein Thema einen Berührungspunkt zu einer Themenplattform, beurteilen wir darin eine Vorlage, bevor wir bei allen Mitgliedern die Meinung dazu abholen. Erst dann fassen wir unsere Position.
Wie sieht das im Fall von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz aus?
Wir haben zunächst die frühe Planung und Koordination von Bauplatzinstallationen als gemeinsames Thema identifiziert. Dies mit dem Ziel, dass eine Baustelle reibungslos und im Sinne aller Mitarbeitenden funktioniert. Beispielsweise braucht es durchgängiges Licht und durchgängige Anfahrtswege, Lasten müssen auch in einen fünften Stock gebracht werden können und hygienische Anforderungen müssen erfüllt sein. Und all das unabhängig davon, wer gerade auf der Baustelle ist. Auf grossen Baustellen klappt das sehr gut, auf mittleren und kleineren noch weniger. Die ausgelösten Massnahmen bewirtschaften wir über die Themenplattformen. So gibt es im NPK 113 «Baustelleneinrichtung» Handlungsbedarf (Anm. d. Red.: Der NPK 113 wird aktuell überarbeitet und 2026 veröffentlicht.): Muss man Leistungen anders beschreiben? Muss man zusätzliche Leistungen beschreiben? Entsprechend sind durch CRB auch Abklärungen im Gange, ob es einen zusätzlichen NPK zum Thema Baulogistik braucht. Oder wir haben uns – eher selten für Bauenschweiz – in laufenden LHO-Revisionen geäussert, dass die Planenden das Thema Bauplatzinstallationen nicht nur mitdenken, sondern auch als ausschreibbare oder offerierbare Leistung sehen. Die Themenplattform «Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz» ist also sehr konkret unterwegs.
Wo sehen Sie die Rolle von CRB als Mitglied der Stammgruppe Planung bei Bauenschweiz?
Weil das Wissen bei unseren Mitgliedern ist, sind wir darauf angewiesen, dass sie sich – und damit auch CRB – wenn immer möglich einbringen. Geht es um Daten für die Leistungsbeschreibung, Kostenermittlung oder um Standards für das Bauwesens in der Zukunft, ist CRB eine wichtige Stimme im Dachverband. So hat sich CRB kürzlich in einer Vorstandssitzung als Gast zur Revision des Bauproduktegesetzes geäussert. Auf den ersten Blick kein CRB-Fokus, aber es geht dort auch darum, welche Attribute Baumaterialien bekommen, wenn man sie in Verkehr bringt, wie die Informationen zu den Produkten strukturiert sein müssen, und – mit Blick auf einen «Digital Product Passport» – in welchem Format die Informationen vorliegen müssen. So reden nicht nur die Baumaterialproduzenten mit, sondern auch jene, die die Digitalisierung in der Branche voranbringen müssen.
Wir haben in der Schweiz einen stark fragmentierten und wenig durchgängigen Markt. Wie kann diese Kultur verändert werden? Wünscht sich Bauenschweiz überhaupt eine Veränderung?
Ja, unbedingt! Auf nationaler Ebene müssen wir mit Daten belegen, wie wir innerhalb dieser Nachhaltigkeitsziele gebaut und saniert haben, und wie ein Gebäude oder die Infrastruktur diese Ziele erfüllt. Wir werden durch Rahmenbedingungen getrieben, die Digitalisierung notwendig machen. Zudem erfordert sie eine andere Form der Zusammenarbeit und Transparenz. Auch die Komplexität der Projekte zwingt uns zu einer anderen Art der Zusammenarbeit. Diese Schritte verschmelzen, wenn ich in alle Teilbranchen hineinschaue. Wir haben also gar keine andere Wahl. Das Positive am Fachkräftebedarf ist zudem, dass wir uns fit machen müssen für die Personen, die wir in unsere Branche locken wollen.
Welche politischen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bereiten Ihnen aktuell am meisten Sorgen? Und wo sehen Sie Potenzial für positive Entwicklungen?
Positiv finde ich aktuell, was auf nationaler Ebene rund um das Thema Baubewilligungsverfahren passiert. Der Schub durch den Aktionsplan gegen die Wohnungsknappheit des Bundesrats hat Massnahmen ausgelöst. Bis zum Sommer haben wir dank einer Studie des BWO und ARE endlich konkrete Angaben, wo Bund und vor allem Kantone bei Baubewilligungen und bei den Rechtsmittelverfahren ansetzen müssen, damit sich beim Tempo, der Verlässlichkeit und der Investitionssicherheit etwas tut. Sorgen bereitet mir der Bereich Nachhaltigkeit: Mit dem Klima- und Innovationsgesetz, dem Stromgesetz und dem Umweltschutzgesetz haben wir drei Zielsetzungen, teilweise sogar von der Bevölkerung verabschiedet, die klar zeigen, wohin die Reise beim Bauen und Sanieren gehen soll. Aktuell mehren sich Zeichen, dass diese klaren Signale abgeschwächt werden könnten – abgeschwächte Signale sind für eine Transformation in einem Markt nie gut.
Wenn sie drei Wünsche an die Schweizer Bauwirtschaft hätten – welche wären das?
Ich würde mir wünschen, dass wir als gesamte Wertschöpfungskette noch mehr zusammenrücken und zu einer Stimme auf der politischen, nationalen Ebene, aber auch in der Öffentlichkeit werden. Als Zweites wünsche ich mir, dass wir mit mehr Stolz und Power darüber sprechen, was wir leisten. Und mein dritter Wunsch wäre, dass wir die Chance von neuen Abwicklungsmodellen packen und grundsätzlich partnerschaftlicher auf den Projekten zusammenarbeiten. Dazu braucht es auch die Bauherrschaften.